Von heißen Quellen und kaltem Wasser

Eine kurze Geschichte des Kurens und Badens
In Hessen und speziell im Taunus kann man sich gut erholen. Dies ist hinlänglich bekannt, denn schließlich gibt es in der Region seit langer Zeit diverse Kurorte. Die Tradition des Badens und Kurens ist sogar so bedeutsam, dass sie sich z. B. seit 1869 im Namen der Stadt BAD Nauheim wiederfindet. Doch es gibt auch Orte, die namentlich weit früher damit verknüpft waren, denken wir beispielsweise an WiesBADEN oder (außerhalb Hessens) Baden Baden – viel deutlicher geht es kaum. Doch woher kommt das eigentlich? Wie lange gibt es diese Tradition? Und welche Bedeutung hat sie?
Alle Wege führen nach Rom

Das Baden – aus hygienischen sowie gesundheitlichen und sozialen Gründen – spielte bereits bei den Römern vor zwei Jahrtausenden eine große Rolle. Diese badeten aber nicht nur in der Weltstadt Rom, beispielsweise in den berühmten Caracalla-Thermen, sondern vielfach an Orten in ihren Provinzen. Wiesbaden war schon bei den Römern beliebter Badeort mit dem lateinischen Namen Aquae Mattiacae. Und selbst an den Kastellen am Limes, wie u. a. der Kapersburg und auch der Saalburg waren Badeanlagen vorhanden, deren Reste man heute noch gut besichtigen kann – ohne weit zu reisen. 
Doch eine direkte Linie von den römischen Bädern zu den Kurorten der Neuzeit lässt sich nur schwerlich nachzeichnen. Tatsächlich wurden die römischen Badeanlagen mancherorts noch eine Zeitlang genutzt, verloren im Laufe des frühen Mittelalters aber ihre Bedeutung –

© HA Hessen Agentur, Roman Knie

auch wenn diese Zeit bei weitem nicht so dunkel und unhygienisch war, wie das manche Darstellungen in Funk und Fernsehen suggerieren. Aus dieser Zeit kennt man vor allem die beliebten mittelalterlichen Badehäuser, doch waren diese nur im entfernteren Sinne Vorbilder der Kurorte.

Vom „Wildbad“ zur „Kur“

Bereits im 13./14. Jahrhundert etablierten sich an manchen Orten sogenannte Wildbäder. Dabei handelte es sich allerdings nicht wortwörtlich um Bäder in der Wildnis, sondern um natürliche (zumeist heiße) Quellen. Dort entstanden – parallel zu den städtischen Badehäusern – kleinere Orte, die sich bereits auf regelmäßige Badegäste spezialisierten. Man erhoffte sich vom Baden und Kuren gemeinhin eine Gesunderhaltung oder Krankheitsheilung, somit war es in der Frühen Neuzeit wichtiger Bestandteil der medizinischen Wissenschaften.
Der Begriff „Kur“ setzte sich etwa ab 1800 durch. In jener Zeit erweiterte sich die Vielfalt und Zahl der Kurorte durch den Aufstieg der kalten Mineralwasser- und der Trinkkur. Wurde in früheren Zeiten eher gebadet, kam die Verkostung von Wasser aus heilenden Quellen später in Mode. Die Praktiken veränderten sich immer wieder und die Bäder- und Kurbetriebe

© Kreisarchiv Hochtaunuskreis

professionalisierten sich über die Jahrhunderte. Während die Heilkräfte der warmen Quellen des kleinen Ortes Schlangenbad bereits Mitte des 17. Jahrhunderts dem Landgrafen bekannt waren, dauerte es eine Zeit, bis sich man hier die Voraussetzungen für die späteren Gäste aus den europäischen Königshäusern geschaffen hatte.

Kurorte – Sehnsuchtsorte für Arm und Reich …

Es handelte sich bei den Kurgästen lange Zeit vor allem um Angehörige des Adels. Erst im Laufe des 18. und des 19. Jahrhunderts wurden Kurorte vermehrt von bürgerlichen Kreisen, aber auch von ärmeren Bevölkerungsteilen aufgesucht. Auch für diese Menschen gehörte das Kuren zu einer wichtigen Hilfe gegen allerlei Krankheitsbeschwerden. Sie erhofften sich oftmals eine Wiederherstellung ihrer Gesundheit im Sinne ihrer Arbeitskraft, wofür sie nicht selten ihr hart erspartes Geld aufwendeten. Eine weitere Möglichkeit waren Bittschriften an die jeweiligen Landesherren, die allerdings keine sicheren Erfolgschancen hatten. In den Badeorten wurden teilweise Armen- und Hospitalbäder aufgebaut, um auch diesen gesellschaftlichen Schichten Zugang zu diesem Teil des Gesundheitswesens zu ermöglichen.

© Kreisarchiv Hochtaunuskreis

Die Kur der Armen war vom „normalen“ Kurbetrieb nach Möglichkeit strikt getrennt, schließlich wollte man sich die vermögende und einflussreiche Klientel nicht durch den „Pöbel“ vergraulen. In Wiesbaden war es armen Kurgästen, aber auch Handwerkern, Knechten und Menschen jüdischen Glaubens sogar verboten, die Promenade zu betreten. Man achtete also trotz der Erkenntnis, dass auch den Armen Heilung und Pflege geboten werden musste, sehr auf die Exklusivität der Kur- und Badeorte.
 

… – aber vor allem für Reich!

Im Allgemeinen versuchten viele Kurorte, sich ihre hohen Gäste gewogen zu halten. Kein Wunder also, dass man die Begebenheiten ihren Bedürfnissen anpasste. Kurorte waren nicht nur gesundheitlich ausgerichtet, sie waren vielmehr Orte sozialer Begegnung, des Konsums und des Vergnügens. Viele boten bereits Rundum-Sorglos-Pakete die durchaus als Vorläufer des heutigen Tourismus gelten können. Man baute multifunktionale Kurhäuser, die für festliche und kulturelle Veranstaltungen aller Art, aber auch als Casinos und Spielsäle dienten. Es wurden Parks angelegt, sogar Plätze für Sport und Spiel und Pferderennbahnen. In manchen Orten etablierten sich selbst ganze Villen-Viertel für adelige oder großbürgerliche Kurgäste.
Folglich hatte diese Tradition einen enormen Einfluss auf das Werden und Wirken eines Ortes und prägte in vielerlei Hinsicht das Ortsbild.

© Florian Trykowski

Manche gelangten zu überregionaler und teils internationaler Bekanntheit besonders aufgrund der teilweise erlesenen Klientel aus Kunst, Kultur, Politik und vielen weiteren Bereichen. Wiesbaden beherbergte zahlreiche Berühmtheiten, wie z. B. Fjodor Dostojewski, Johannes Brahms oder Clara Schumann. In (ab 1922 Bad) Soden verkehrten u. a. Felix Mendelssohn Bartholdy, Peter Tschaikowsky oder die Gebrüder Tolstoi. Und auch (ab 1912 Bad) Homburg schmückte sich mit der Anwesenheit hoher Persönlichkeiten, wie Oscar Wilde, Friedrich Hölderlin oder den König von England Edward VII. Und nicht zuletzt der deutsche Kaiser Wilhelm II. höchstselbst verkehrte regelmäßig zur Kur im Taunus. Doch welche weitreichenden Spuren das hinterließ, ist wieder eine andere Geschichte.

Der Gastautor

Alexander Maser
Alexander Maser, aufgewachsen im Hochtaunus, ist Historiker, Kurator, Autor und Podcaster. Seit 2015 leitet er die Geschicke des Museumstheaters im Freilichtmuseum Hessenpark, ist für Recherche, Autorenschaft und Regie verantwortlich. Ferner steht er selbst auf der Bühne und ist aktiv an der Realisierung musealer Ausstellungen beteiligt. Seit 2021 ist er wissenschaftlicher Referent bei der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte mit Sitz in Mainz und Weimar.
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