Tür an Tür mit dem Römischen Reich

Das Taunusgebirge zieht sich wie eine grüne und weithin sichtbare Grenze durch Mittelhessen. Heute ist es eine beliebte Wandergegend und malerische Kulisse, doch früher waren Teile des Taunuskamms früher genau das: eine Grenze. Und das sogar für ziemlich lange Zeit. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein verlief hier beispielsweise die Grenze zwischen mehreren Staaten, unter anderem der Landgrafschaft Hessen-Homburg, dem Großherzogtum Hessen und den Herzogtum Nassau. Aber bereits vor über 1900 Jahren fungierte der Taunus als Grenze – zum Römischen Reich.

Wenn man unmittelbar am Fuße des Taunus lebt, gewöhnt man sich ganz unweigerlich an den beeindruckenden Anblick. Viele Menschen fahren täglich „über die Saalburg“, wo zu den Stoßzeiten stets der Berufsverkehr grüßt. Kaum jemand macht sich die Bedeutung dieser Worte wohl bewusst.  So lebt man hier zumeist mit dem Wissen, dass dort oben irgendwo nahe der Saalburg der „Limes“ verläuft. Doch was heißt das eigentlich?
 
Das Wort „Limes“ bedeutet im Lateinischen erstmal nicht viel mehr als „Schneise, Grenzweg oder Grenze“. Limites, so die lateinische Mehrzahl, sollten immer klar erkennbare Außengrenzen des römischen Herrschaftsbereiches sein. Die Römer orientierten sich bei ihrer Grenzziehung an Flüssen oder markanten Gebirgszügen, im Grunde natürliche Landschaftsgrenzen. Wenn wir in unserer Region vom Limes sprechen, meinen wir zumeist den obergermanisch-rätischen Limes, der fast einmal quer durch das heutige Deutschland verläuft. 

© Heiko Rhode für Naturpark Taunus


Doch im Grunde kann man die ganze Grenze des Reiches als Limes bezeichnen, ob in Nordafrika, Vorderasien, Südost- oder Westeuropa und auch in Großbritannien. In Deutschland haben wir neben „unserem“ Limes, der die längste Landgrenze im europäischen Abschnitt des Limes darstellt, auch den Rhein als Niedergermanischen Limes oder auch den Donaulimes.

Der Limes entstand nicht über Nacht

Doch nicht immer präsentierte sich diese prominente Grenze so majestätisch, wie der eindrucksvolle Palisadenwall, den man unweigerlich vor Augen hat, wenn man an den Limes denkt. Als sich das Römische Reich erstmals über Rhein und Main hinweg- und am Taunus festsetzte, war dieser erstmal nicht mehr als eine Schneise, die quer durch den Wald geschlagen wurde. Der lange Wall, gespickt mit unzähligen Wachtürmen und gesäumt von steinernen Kastellen, entstand erst über die Jahrzehnte.

Zu Beginn des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung gab sich das Römische Reich größte Mühe, seine Grenze vom Rhein in Richtung Elbe auszudehnen. Das Vorhaben scheiterte jedoch (hier spielte auch die bekannte Varusschlacht im Teutoburger Wald eine Rolle)und die Römer waren gezwungen, sich vorerst mit ihren Limites an Rhein und Donau zufrieden zu geben. Doch diese Zufriedenheit hielt nicht lange.

© Taunus Touristik Service e.V.

Etwa um 100 n. Chr. wollten sie die Grenzlinie zwischen Rhein und Donau verkürzen. In diese neue Grenzziehung wurde der Taunus als Gebirge integriert und auch die Wetterau, ein landwirtschaftlich sehr attraktives Terrain, bezogen die Römer gleich in ihre Bemühungen mit ein.

Um diese neuen Errungenschaften zu sichern und den Machtanspruch zu unterstreichen, schlugen die Römer also eine Schneise in die germanischen Wälder. Es wurden hölzerne Wachtürme aufgestellt, kleinere Erdwälle angelegt, in denen Soldaten in Zelten stationiert wurden. Es entstand ein gut sichtbarer Postenweg. Natürlich waren sich die Römer bewusst, dass eine etwa 550 Kilometer lange Schneise kaum zu verteidigen war. Und selbst die mit der Zeit entstehende, weithin sichtbaren Grenze aus Palisaden war dazu schlichtweg ungeeignet, selbst wenn Rom noch mehr Soldaten geschickt und weitere Kastelle gebaut hätte.
 
Die Forschung der vergangenen Jahrzehnte zeichnet mittlerweile ein differenzierteres Bild vom Limes, der lange Zeit und gerne auch noch heute als rein militärisches Bollwerk der Römer angesehen wird. Natürlich spielte das Militärische eine Rolle: Die Grenze war streckenweise äußerst prominent platziert auf dem zu jener Zeit ziemlich abgeholzten Taunuskamm.

© Florian Trykowski
Hier beginnt Rom

Damit unterstrichen die Römer ihren Machtanspruch und zeigten der germanischen Bevölkerung, die etwas von dieser Dimension sicherlich noch nicht gesehen hatte: Hier beginnt Rom. Doch heute geht man vielmehr davon aus, dass der obergermanisch-rätische Limes eine Art bewachte Wirtschaftsgrenze zum nicht-römischen Raum darstellte.

Zahlreiche römische Funde im „freien Germanien“ legen nahe, dass es sich beim Limes keineswegs um eine wirtschaftlich und kulturell undurchlässige Grenze handelte. Vielmehr gab es in jedweder Hinsicht einen Austausch – und wie auch auf der römischen Seite ein gewisses Miteinander. Zudem orientierten sich die Römer sehr genau an bestehenden Strukturen und platzierten ihre Befestigungen an existierenden Handelsrouten und -knotenpunkten, um diese dann für ihre Zwecke zu nutzen.

© Heiko Rhode für den Naturpark Taunus

In diesem Kontext entstand auch das wohl berühmteste und am besten dokumentierte Römerkastell, die Saalburg. Ungefähr dort, wo sich heute der Berufsverkehr täglich über die B456 quält, passieren Menschen schon seit mehreren tausend Jahren den Taunuskamm.  Und auch bei anderen Kastellen kann man davon ausgehen, dass ihre Standorte alles andere als willkürlich gewählt wurden. Die Römer bildeten mit ihren Wachposten und Kastellen ein Netz, mit dem sie den Grenzverkehr sichern und überwachen konnten. So kriegerisch, wie manche Filme und Serien es gerne zeichnen, mag es hier im Taunus vor ca. 1900 Jahren wohl nicht zugegangen sein.

Heute ist von der Grenze des Römischen Reiches kaum noch etwas übrig, wenn auch so viel, dass man den Limes nach all der Zeit streckenweise immer noch sehr deutlich im Boden erkennen kann. Doch in Vergessenheit geraten ist diese berühmte Grenze keinesfalls. Und wenn man sich beim nächsten Passieren des Taunuskamms noch einmal vor Augen führt, dass man einstmals womöglich von römischen Soldaten kontrolliert worden wäre, dann ist der nächste Stau vielleicht ein klein wenig erträglicher.

Der Autor

Alexander Maser

Alexander Maser, aufgewachsen im Hochtaunus, ist Historiker, Kurator, Autor und Podcaster. Seit 2015 leitet er die Geschicke des Museumstheaters im Freilichtmuseum Hessenpark, ist für Recherche, Autorenschaft und Regie verantwortlich. Ferner steht er selbst auf der Bühne und ist aktiv an der Realisierung musealer Ausstellungen beteiligt. Seit 2021 ist er wissenschaftlicher Referent bei der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte mit Sitz in Mainz und Weimar.

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